23.09.2015, 17:47 Uhr

Kampf für den Erhalt des einzigen Lehrstuhls für Landesgeschichte

 Heute im Brandenburger Parlament kämpfe ich für den Erhalt des einzigen Lehrstuhls für Landesgeschichte. Leider wird das von der Mehrheit der Regierungskoalition abgelehnt.

Hier meine Rede:
Sehr geehrte Damen und Herren,
 
ich weiß nicht ob es der Zufall so wollte, dass in dem Jahr, in dem wir das 25. Jahr des Landes Brandenburg feiern, wir davon hören müssen, dass der einzige Lehrstuhl für die regionale Geschichte, nämlich die des Landes Brandenburg an der Uni Potsdam auslaufen wird.
 
Ich habe davon im Sommer erstmals aus den Medien erfahren und war so ziemlich erstaunt über dieses Ansinnen, so dass ich mich intensiver mit dem Thema befasst habe, weil ich mir eben nicht vorstellen konnte, dass Brandenburgische – Preußische Geschichte so einfach mal abgeschafft wird.
 
Was sind für mich die Fakten: 
Im Herbst 2016 wird der Inhaber des Lehrstuhls für Landesgeschichte mit dem Schwerpunkt Brandenburg-Preußen an der Universität Potsdam, Herr Professor Dr. Hahn emeritiert werden.
 
Seine Stelle wird nicht nachbesetzt und damit fällt der ganze Lehrstuhl für brandenburgisch-preußische Landesgeschichte weg.
 
Die Themen der regionalen Geschichte sollen von anderen Lehrstühle an der Uni Potsdam als Querschnitt mit betreut werden.
Ich habe erfahren dürfen, dass ein Wegfall des landesweit einmaligen Lehrstuhls durch keine derzeit existierende Institution in Brandenburg vollständig aufgefangen werden kann.
 
Was meine ich damit: Nur ein explizit auf Landesgeschichte ausgerichteter Lehrstuhl ermöglicht insbesondere eine Vernetzung der landesgeschichtlichen Forschung mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen wie Archiven, Instituten, Museen und Bibliotheken.
 
… und gewährleistet es besser, die landesgeschichtliche Forschung und Lehre auf hohem Niveau langfristig und nachhaltig zu ermöglichen.
 
Ein eigener Lehrstuhl ist eben nicht auf den guten Willen anderer Professoren angewiesen, die jetzt dieses Fach als Querschnitt mit bearbeiten sollen.
 
In seiner Regierungserklärung hat der Ministerpräsident auf 25 Jahre Brandenburg zurückgeblickt.
 
Brandenburg/Preußen hat aber eine sehr viel längere und wechselvollere Geschichte.
 
Sich mit ihr auseinander zu setzen, geschichtliche Linien zu ziehen, die bis heute das Handeln der Brandenburger erklären, regionale Geschichte zu deuten, 
sie erlebbar zu machen, 
sie in den Kontext der europäischen Geschichte zu stellen, 
-das sind Humusböden für den Stolz eben dieser Brandenburger, was sie möglicherweise unterscheidet von anderen Regionen und einzigartig macht in Deutschland und Europa.
 
Ich sehe mit Bedauern, welches Signal mit dieser Entscheidung gegeben wird.
 
Was bedeutet uns die eigene Geschichte?
 
Was ist sie uns wert?
 
Was sagen wir unseren Kindern über die Geschichte der Märker, der Lausitzer, der Prignitzer, die doch so verschieden sind?
 
Ist diese, unsere Geschichte in uns so fest verankert wie in Thüringen, Sachsen oder Bayern?
 
Ich sehe mit Schrecken, dass diese Entscheidung einem Trend manch anderer Bundesländer folgt, der Landesgeschichte nicht mehr die nötige Priorität einzuräumen.
 
Man stellt sich lieber den Fragen der großen europäischen Geschichte, widmet deshalb Lehrstühle um und verliert den regionalen Bezug.
 
Aber das ist ein Trugschluss: so wie Europa aus seinen Regionen lebt, so muss Geschichte explizit auch aus seiner Regionalität erlebbar gemacht werden.
 
Nur so bilden sich überhaupt Identitäten, die mit Ihrer Region verwurzelt sind.
Laut Definition betreibt die Landesgeschichte als historische Disziplin Geschichtswissenschaft in einer besonders ausgeprägten landeskundlichen Perspektive.
 
Im Mittelpunkt des Interesses stehen neben politischer und Ereignisgeschichte unter anderem Siedlungsgeschichte sowie Wirtschafts- und Sozialgeschichte von historischen Landschaften.
 
Landesgeschichte macht Menschen mit der Geschichte der Region, in der sie leben, bekannt und fördert damit auch das Bewusstsein für die Historizität des eigenen Lebensraumes.
 
Ja, die Beschäftigung mit der Geschichte „vor Ort" und „der Region" kann besonders motivieren und Initiativen wecken, um historischen Phänomenen auf den Grund zu gehen.
 
Nicht zuletzt im Hinblick auf die Motivation von Schülern und Studenten kommt der Landesgeschichte eine besondere Relevanz zu.
 
Und, und jetzt komme ich zur aktuellen Situation, Landesgeschichte ist auch unter Berücksichtigung der Faktoren Migration und Europäisierung gerade aktuell von großer Bedeutung.
 
Insbesondere kann sie Menschen, die in der Region eine neue Heimat gefunden haben, die Chance bieten, sich ebenfalls über das Interesse und das Engagement für Geschichte mit ihr zu identifizieren.
 
Denn auch in einer globalisierten Welt nehmen wir für unsere Identität Bezug auf kleinere, überschaubarere räumliche Einheiten, wie Land oder Region.
 
Dies dient uns nicht nur der individuellen Selbstfindung oder der touristischen Vermarktung, sondern als persönliche Selbstvergewisserung.
 
Diese dann gemeinschaftliche Vergewisserung durch die eigene Landes- oder Regionalgeschichte ist deutschlandweit, ja in ganz Europa zu beobachten.
 
Und eben auch in Brandenburg!
 
Schon Wilhelm von Humboldt wusste, „nur wer die Vergangenheit kennt, hat eine Zukunft“.
 
Die einfache Frage, woher wir kommen und wohin wir gehen ist nicht nur eine religiöse, philosophische oder politische Frage, sondern eben auch eine geschichtliche.
 
Mit dem Verlust des Lehrstuhles für brandenburgisch preußische Landesgeschichte verlieren wir in Berlin und Brandenburg den einzig ordentlichen Lehrstuhl.
 
Die bestehende Stiftungsprofessur an der HU Berlin wird bald auslaufen und andere wissenschaftliche, sehr ehrliche Bemühungen für diese Thema werden aber eine systematische Forschung nicht ermöglichen.
 
Während einige südliche Bundesländer an jeder Universität eine Professur für Landesgeschichte aufweisen, 
in Sachsen es sogar ein Institut für Landesgeschichte existiert, 
in Bayern jeder Lehramtsstudent das Pflichtfach bayrische Landesgeschichte belegen muss, 
wird in Brandenburg neben dem Auslaufen des Lehrstuhles im neuen schulischen Rahmenlehrplan, der Geschichtsunterricht an den Schulen weiter kürzt.
 
Dies wird nicht nur von den Geschichtslehrern, sondern auch von vielen Brandenburgern beklagt und das zu recht.
 
Ein Lehrstuhl wird eingespart, der Geschichtsunterricht gekürzt …
 
Wie ein Muster zieht sich die zunehmende Geschichtslosigkeit durch diese Legislatur im Jahr der Feierlichkeiten „25 Jahre Land Brandenburg!“

Anrede,
Um die kulturelle Vielfalt und die wechselvolle Geschichte Brandenburg-Preußens angemessen und kritisch zu würdigen und auf der Höhe der internationalen Forschung zu bleiben, und eben nicht von Brieten und Australiern getrieben zu werden, die weit mehr in der brandenburgisch- preußischen Forschung internationale Beachtung finden, brauchen wir eine gesicherte institutionelle Basis.
 
Wir brauchen landesgeschichtliche Forschung nicht nur, um das vergangene Leben in unseren Dörfern, Städten und Regionen in überregionale, nationale und europäische Entwicklungen einzuordnen.
 
Sondern auch als Impulsgeber für Schüler, Studenten, Lehrer, Museen, Vereine und Archive vor Ort.
 
Die landesgeschichtliche Forschung und Lehre vermittelt ein Verständnis für das historische Gewordensein unseres Landes.
 
Und deshalb ist sie von Bedeutung für unsere gesamte Gesellschaft im 25. Jahr nach der Einheit Deutschlands.
 
Deshalb werbe ich für unseren Antrag.
 
Dies ist keine Aufgabe einer einzelnen Universität, dies ist Aufgabe der Landesregierung, dafür die Ressourcen bereit zu stellen.
 
Herzlichen Dank!